Shutdown Bangkok – und Mama mittendrin

Müde Protestanten am Siam-Square

Müde Protestanten am Siam-Square

Ein paar Schritte über die Brücke und schon sind wir in Thailand angekommen. In der Brückenmitte signalisieren ein paar Hütchen den Wechsel von Rechts- auf Linksverkehr, ansonsten scheint sich nicht viel zu ändern – zumindest auf den ersten Blick. Tatsächlich aber befindet man sich in einer völlig anderen Welt. Hier muss man nicht wie im Grenzgebiet auf der anderen Seite alle paar Minuten mit Passkontrollen rechnen, hier gibt es keine Straßen, die an geraden Tagen in die eine und an ungeraden in die andere Richtung befahren werden dürfen und plötzlich steht uns hier auch eine Infrastruktur zur Verfügung, die sich bald mit dem Westen messen kann. Strom rund um die Uhr, Bankomaten an jeder Ecke, Supermärkte in jedem Dorf und sämtliche Begehren lassen sich plötzlich wieder problemlos erfüllen. Thailand ist längst kein Entwicklungsland mehr und es wäre völlig daneben diese Entwicklung zu bedauern. Ja – abenteuerliches Reisen und Fremdartiges hinter jeder Ecke kann Thailand sicher nicht mehr bieten. Wir freuen uns aber auf 6 entspannte Wochen in einem freundlichen und wunderschönen Land. Ganz besonders freuen wir uns aber auf etwas anderes – Mama und Papa sind im Anflug.

Unser Erstkontakt zu Thailand ist aber erstmal Mae Sot, eine interessante Stadt und kulinarisch eine Offenbarung. Nicht wenige behaupten das beste burmesische Essen überhaupt bekommt man hier, unmittelbar hinter der Grenze. Zahlreiche Flüchtlinge und Auswanderer bringen neben der Küche längst auch einen Teil der burmesischen Kultur mit ins Königreich. Direkt durchs Zentrum der Stadt führt mit dem Asian Highway 1 die längste Fernstraße Asiens, die von Tokio bis Istanbul durch Nord- und Südkorea, Vietnam, Burma, Bangladesh, Indien, Pakistan, Afghanistan und viele andere Länder verläuft. Eine Reise entlang dieser Straße wäre schon ein gigantisches Reiseprojekt für sich. Die Visavorbereitungen dürften aber eine Herausforderung sein – dafür wäre wohl ein Diplomatenpass hilfreich. Zumindest aber von Ho-Chi-Minh-City bis Hanoi durften wir der Straße aber schon folgen.

Den Weg Richtung Bangkok legen wir, zum Teil auf eben genanntem Highway, im Bus zurück. Die First Class ist nach den VIP-Bussen die zweithöchste Klasse, bietet aber im Vergleich zu den restlichen Bussen Südostasiens schon überraschenden Luxus – so angenehm war Busfahren wirklich lange nicht mehr. In der Hauptstadt angekommen wollen wir uns erstmal die aktuelle Situation ansehen. Es ist Wahltag und wenn man der Berichterstattung heimischer Medien Glauben schenken würde sollte man sich wohl an diesem Tag nicht in die Innenstadt trauen. Wir halten wie immer wenig von Panikmache und fahren erstmal direkt zum Siam-Square. Nach einer ausgedehnten Wanderung durch die Protestcamps können wir in jeglicher Hinsicht entwarnen. Auch wenn nach wie vor mehrere Ministerien besetzt und mit Stacheldraht abgeriegelt und die Hauptverkehrsadern blockiert sind kann man sich ausnahmslos überall frei und gefahrlos bewegen. Wie sehr die Medien bei derartigen Protesten überreagieren war uns schon aus Kairo im Januar 2013 und von unserem letzten Besuch in Bangkok bekannt, wo deutlich heftigere Proteste stattfanden. Die einzige Einschränkung für uns war das Alkoholverbot am Wahltag. Zu unserem Curry bekommen wir allerdings vom netten alten Wirt trotzdem ein Bier serviert – zur Sicherheit serviert in Kaffeetassen.

Die erste Nacht in Bangkok verbringen wir in der berüchtigten Khao San Road. Auch diese Perspektive der Stadt wollten wir uns für einen Abend mal ansehen – der Anblick tausender Hippies in viel zu weiten Hosen reicht aber wohl wieder für einige Zeit aus, uns aus derartigen Gegenden fernzuhalten. Auch wenn man hier nach wie vor günstige Übernachtungsmöglichkeiten deutlich unter 10 Euro pro Zimmer finden kann ist der Rest dieses Touristenghettos Motivation genug um sich nach interessanteren Stadtvierteln umzusehen – Bangkok hat wahrlich mehr zu bieten als das hier. Nach einer kurzen Nacht suchen wir uns also schon frühmorgens (sehr früh!!) ein Taxi, was in der Khao San nicht ganz einfach ist, erwarten die hier wartenden Taxifahrer doch speziell Nachts ein mehrfaches des Normalpreises vom Taxameter. Wir finden nach ein wenig suchen um 6 Uhr morgens die angestrebte Bar, um uns die Superbowl aus New York gemeinsam mit ein paar anderen Verrückten anzusehen. Im Gegensatz zur Heimat, wo die „Bowl“ kurz nach Mitternacht startet und die zweite Halbzeit gerne mal verschlafen wird, sitzen wir hier mit einem Bier beim Frühstücksbuffet und haben kaum Mühe die Augen bis zum Ende offen zu halten. Auch wenn wir keine großen Footballfans sind und uns, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Besuchern der Bar, das Ergebnis völlig egal ist sind wir beim größten Einzelsportereignis der Welt jedes Jahr gerne live dabei – in diesem Fall eben erstmals im Kreise echter Fans und am Rande des Morgenverkehrs von Bangkok.

Jetzt aber genug mit Football – jetzt geht´s endlich ab zum Flughafen. Wie schon angekündigt erwarten wir hohen Besuch. Nach neun Monaten auf Reisen Mama und Papa hier in Bangkok empfangen zu können ist großartig, die nächsten 5 Wochen mit ihnen gemeinsam Thailand erkunden zu dürfen definitiv ein Highlight unserer Reise. Für einen angemessenen Empfang haben wir eine 150-Quadratmeter Suite über den Dächern von Bangkok besorgt – für Mama und Papa ist das Beste eben gerade gut genug. Das sie mit diesem Standard allerdings in den nächsten Wochen nicht rechnen können sollte den Beiden klar sein, sie sind schließlich hier um einen kleinen Eindruck unserer Art des Reisen zu bekommen. Der Absturz von der Suite in die Holzklasse wird also nicht lange auf sich warten lassen.

Unsere Zeit in Bangkok ist geprägt vom Wiedersehen – es gibt tausend Dinge zu erzählen. Daneben finden wir aber Zeit für sämtliche Klassiker der „Stadt der Engel“. Wat Pho, der Königspalast, zahlreiche Flussfahrten, ein Besuch am Golden Mount, ein viel zu teurer Drink in einer der schönsten Skybars der Stadt, Shopping am Siam Square und diverse Besuche auf den Märkten Bangkoks gehören sicher zu jedem Besuch. Noch einen Tag zuvor hätte Mama wohl kaum geglaubt, dass sie sich schon am ersten Tag ihrer Reise inmitten der abgesperrten Protestmeile wiederfinden wird – schon beim ersten Besuch aber muss sie über die herbeigeschriebene Gefahr geradezu schmunzeln. Selbstverständlich bleibt weiterhin das Risiko einer erneuten Eskalation. Es ist aber ein Leichtes eine solche als Besucher zu erkennen und sich bei Bedarf aus dem Staub zu machen. Der Jahrmarktcharakter der abgesperrten Straßenzüge und die müden Reden der unterschiedlichen Oppositionsgruppen wirken jedenfalls kaum bedrohlich. Zu schnell wurden die Gebiete von findigen Geschäftsleuten zur Einkaufsstraße zweckentfremdet. Meistverkaufte Artikel bleiben freilich weiterhin die Shirts mit der Parole der Bewegung: Shutdown Bangkok, Restart Thailand.

Das Ziel unserer gemeinsamen Reise ist nun aber erstmal der Norden Thailands. Die Bergregionen im Grenzgebiet zu Burma und Laos warten darauf von uns, wie könnte es anders sein, wieder auf Motorrädern erkundet zu werden. Der Weg bis nach Chiang Mai ist lang, und um Zeit zu sparen nutzen wir natürlich wieder die Nacht für die lange Fahrt. Da der Liegewagen im Zug ausgebucht ist besorgen wir für die 16-stündige Fahrt Sitzplätze in der zweiten Klasse – es gibt keinen Grund unsere Besucher unnötig zu schonen. Das allerdings an diesem Tag der Wagen der zweiten Klasse defekt ist und wir deswegen in die dritte Klasse umgebucht werden konnten wir nicht ahnen. Schneller als erwartet sind wir also nun alle gemeinsam in der Holzklasse angekommen und 16 Stunden auf mäßig weichen Sitzbänken warten auf uns. Liebe Mama, lieber Papa: Ihr seid ja nicht im Urlaub hier.

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Ein Gedanke zu „Shutdown Bangkok – und Mama mittendrin

  1. Jaja, die Moon Bar! Geil, gell? Uns erschienen die Proteste ebenfalls nicht bedrohlich, kann Euren Eindruck also nur bestätigen, dass Medien die „Gefahr“ echt arg hochgespielt haben.

    Grüße aus Glenorchy, NZ!

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