Burma – Versuch einer Gebrauchsanweisung

Jedes Reiseland hat seine ganz speziellen Reize und ist in gewisser Weise einzigartig, eines aber können heute nur noch sehr wenige Länder bieten: Das uneingeschränkte Gefühl Reisender zu sein. Gegenden zu bereisen die in keinem Reiseführer erwähnt werden, immer bis zu einem gewissen Grad im Ungewissen zu bleiben, Komfort und Planungssicherheit hinter sich zu lassen, aus den Fußstapfen anderer zu treten und schlichtweg seine Ziele auf eigene Faust zu erforschen. Burma ist Abenteuer und Herausforderung – längst nicht mehr überall, aber sobald man die Routen der Reiseanbieter hinter sich lässt und sich auf die Suche nach dem wahren Burma und seinen vielfältigen Bewohnern macht. Unsere Zeit hier war anstrengend und manchmal nervenaufreibend, hat uns aber unglaublich viel zurückgegeben. Auf diesem Weg wollen wir zum Nachahmen animieren, unnötige Berührungsängste abbauen und ein paar hilfreiche Tipps zum Reisen in Burma geben – Reisen aber muss dann jeder für sich.

Auch hier haben wir wieder großartige Erfahrungen auf Motorrädern gemacht,  14 Tage lang waren wir insgesamt auf 2 Rädern unterwegs. Auch wenn die Kosten ein wenig höher sein mögen als anderswo, das Anmieten ist im Grunde problemlos. Bei vier verschiedenen Anbietern, vom Doorboy des Hotels bis zum klassischen Vermieter, haben wir jeweils zwischen 6 und 8 Dollar pro Tag bezahlt. Bei Hotels und Gästehäusern wird´s natürlich ein wenig teurer. Auch unterwegs hatten wir keine Probleme. Tankstellen findet man selbst im letzten Eck des Dschungels, wenngleich natürlich nur in Form einiger halbvoller Schnapsflaschen, und auch mit der Polizei hatten wir nicht die geringsten Probleme. Mit Ausnahme der Immigration Officer, die uns regelmäßig überprüft und neugierig befragt haben, wollte die Polizei auch hier nichts von uns. Auch von der Mautpflicht auf den Straßen sind die Motorradfahrer erfreulicherweise ausgenommen. Als einziges Problem bleiben die Straßenzustände, die oftmals nach einer besseren Ausstattung schreien würden. Die wenigen verfügbaren Cross-Motorräder waren uns aber doch deutlich zu teuer.

Wem die Fahrt auf 2 Rädern zu gefährlich erscheint, der kommt auch mit Bussen und im Zug recht gut voran. In  beiden Fällen muss man allerdings seine Ansprüche in Sachen Komfort erheblich einschränken. Die Schlafwagen der Bahn sind zwar durchaus komfortabel, sobald sich der Zug allerdings in Bewegung setzt wird man auch hier heftig durcheinander geschüttelt. Die Fahrt in der „Ordinary Class“ ist ohnehin eher als Sehenswürdigkeit und Erlebnis zu sehen – auch die einheimischen Mitreisenden freuen sich über exotischen Besuch. Busse sind bei längeren Fahrten durchaus annehmbar, schwieriger wird es bei der Benutzung der doch etwas unstrukturiert erscheinenden Stadtbusse. Dafür sollte man sich doch zumindest die burmesischen Zahlen vorab angesehen oder Einheimische um Hilfe gefragt haben. Da die Burmesen im Jahre 1970 in einer Hau-Ruck-Aktion über Nacht den Verkehr von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt haben findet man hier dasselbe, nicht ganz ungefährliche Phänomen wie in Sibirien. Auch hier steuern nämlich neunzig Prozent der Fahrer ihren Wagen trotz Rechtsverkehrs von der linken Seite aus. Bei den alten Bussen wurden deswegen die Türen auf der linken Seite schlichtweg verbarrikadiert und rechts neue geschaffen – Armut macht erfinderisch. Die Busse sind ausnahmslos Gebrauchtfahrzeuge aus Japan, China oder Korea – so darf man sich nicht wundern im Innenraum einen Fahrplan aus Seoul oder Werbung für japanische Lebensmittel aus den 80igern zu finden. Auch wenn die Stadtbuspreise, beispielsweise in Yangoon, vor einigen Jahren übrigens schlagartig um 1.900 % von 5 auf 100 Ringgit erhöht wurden kostet eine Fahrt nach wie vor weniger als 10 Cent und ist damit für Ausländer nach wie vor ein Schnäppchen – vorausgesetzt eben man findet den richtigen Bus.

Hotelzimmer sollte man auch in Burma vor Ort suchen, sofern man mit beschränktem Budget reist. Im Internet findet man hier meist teurere Unterkünfte und dann meist jene, die zumindest zum Teil der Regierung oder irgendwelchen Militärs gehören. Solange die Regierung Lizenzen für die Unterbringung von Ausländern verkauft wird Burma preislich wie auch in Sachen Qualität meilenweit hinter seinen südostasiatischen Nachbarn hinterherbleiben. Eine völlige Öffnung auch in dieser Hinsicht würde das mit Sicherheit schlagartig ändern. Die wenigen günstigen Hostels, die es geschafft haben an eine legale Lizenz zu kommen, sind praktisch ausschließlich in chinesischer Hand.

Als Tipp für jeden, der eine Reise nach Burma erwägt, können wir nur noch einmal betonen: Versucht euch möglichst viel Zeit für abgelegene und kaum bereiste Ziele zu nehmen. Dort findet man noch ein faszinierendes Land voller neuer Erfahrungen und voll mit interessierten Menschen, die sämtliche Reisestrapazen umgehend vergessen machen. Lieber auf die millionenfach fotografierten Tempel von Bagan und den Inle Lake verzichten als großartige Begegnungen in den Randregionen Burmas zu verpassen. Jede zusätzliche neue Öffnung bisher verschlossener Gebiete gibt Reisenden die Chance praktisch unentdeckte Regionen und Städte zu bereisen – diese Chance sollte man jedenfalls ergreifen. Wir hätten gerne noch den einen oder anderen Tag im Süden oder besonders im Nordwesten verbracht. In Bangkok aber warten zwei besondere Gäste auf uns – die wollen wir nicht verpassen.

Zum Abschluß soll ein letzter kritischer Punkt nicht unerwähnt bleiben, einer der uns oftmals doch sehr nachdenklich gestimmt hat und berechtigte Sorgen über die Zukunft des Landes aufkommen lässt. Obwohl das Zusammenleben zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auf den ersten Blick friedlich und geregelt aussehen mag – in vielen Gebieten ist es das definitiv nicht. Immer wieder wurde in letzter Zeit der gegenseitige Hass zwischen den Muslimen im Lande und der buddhistischen Mehrheit durch einzelne sehr einflussreiche Brandstifter angefacht. Folge waren unzählige Morde, zahlreiche abgebrannte Moscheen und ein tiefer Graben in der gesamten Bevölkerung. Die treibende Kraft scheint eine Gruppe buddhistischer Mönche zu sein, deren unverblümtes Ziel es ist den Islam, der in Burma in etwa seit dem 9. jahrhundert heimisch ist, auszuradieren.

Symbol der Bewegung ist die Zahlenkombination 969, ebenso wie das von Hitler einst missbrauchte Hakenkreuz ein wichtiges Symbol des Buddhismus. „969“ Aufkleber auf Restaurants, Taxis, Geschäften und anderswo sollen Besucher dezent darauf hinweisen, dass muslimische Kundschaft hier nicht willkommen ist und der Besitzer die Ziele der Bewegung unterstützt. Erst bei der gezielten Suche fällt uns auf, dass in vielen Gegenden beinahe alle buddhistischen Geschäftsinhaber Teil der Bewegung zu sein scheinen. Eine Bewegung die uns doch sehr an den Geschichtsunterricht zu den späten 30er Jahren und dem gezielten Aufbau des Hasses gegen die europäische Juden erinnert. Nicht umsonst titulierte das TIME Magazine in einem viel beachteten Artikel den Anführer der Bewegung als „Hitler Burmas“ und seine Organisation als gefährlichste Neonazi-Gruppe Asiens. Hier zeigt sich erneut eindrucksvoll, dass jede Art von blindem religiösem Glauben, wenn er gezielt für destruktive Zwecke missbraucht wird, nach wie vor eine Gefahr für die Menschheit und unser friedliches Zusammenleben darstellt. Dies gilt für jede Religion gleichermaßen.

SPIEGEL Artikel zur 969 Bewegung

Sehr hilfreicher Motorradverleiher in Mandalay

Off-Limit Bereiche und Reisemöglichkeiten lt. Tourism Transparency

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5 Gedanken zu „Burma – Versuch einer Gebrauchsanweisung

  1. Ihr Lieben,
    bei mir geht es in drei Wochen los Richtung Burma! Vielen Dank für die tolle Zusammenfassung und Einstimmmung darauf!

  2. Coole Gebrauchsanweisung, das macht mir Mut.

    Ich dachte in Burma darf man nix individuell machen und man muss alle Zimmer im Voraus buchen und auch sonst alles durch planen und das Essen ist scheisse und und und….

    Ich bin gespannt, wie es wirklich ist.

    • Burma ist definitiv jeden Tag wert. Und jeder Versuch die üblichen Schienen rund um Inle Lake, Bagan und co. zu verlassen wird mit großer Sicherheit zum unvergesslichen Erlebnis. Raus aufs Land und rein ins Abenteuer. Viel Spaß!

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