Wie tickt Australien? Ein Blick ins politische Uhrwerk

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Stiller Protest vor dem Parlament

Im kleinen Hafenstädtchen Eden treffen wir erstmals auf die Ostküste und gleichzeitig wieder auf einen potentiellen Hotspot zum “whale watching”. Als frühere Hochburg des australischen Walfangs wird die Bucht vor der Stadt auch heute noch alljährlich von Walen besucht, die von der kalten Antarktis für die Geburt ihrer Jungtiere hinauf bis ins tropische Queensland ziehen. Obwohl die Population der Humpbacks und Southern Right Wale laut aktuellen Zahlen höher ist als je zuvor haben wir vom Land aus wieder mal wenig Glück. In unserer Verzweiflung sind wir diesmal sogar bereit 35 Dollar in eine Bootstour zu investieren um unsere Chancen zu erhöhen. Obwohl ein paar neugierige Robben, hyperaktive Delphine, die unser Boot gar nicht mehr loslassen wollten und einige spannende Vogelarten an uns vorbeigezogen sind bleibt unser Wunsch nach Nähe zu den riesigen Säugern aber weiter ungehört. Wir werden nicht Kleinbei geben. Bevor wir allerdings weitersuchen ist es erstmal Zeit für ein wenig Kultur und ganz viel Politik – es geht hinauf nach Canberra.

 

Auch wenn es hier, so nah an “Snowy Mountains”, im Moment saukalt ist und man eigentlich lieber an der warmen Küste weiter Richtung Norden streben möchte – die Hauptstadt wollen und können wir nicht auslassen. Idealerweise erreichen wir Canberra Freitagabends, als die Mehrheit der Stadtbevölkerung offensichtlich längst auf der Flucht vor der Kälte und am Weg Richtung Küste zu sein scheint. Bei diesem Anblick muss man nicht lange erklären, dass Canberra als reine Planstadt ausschließlich zu einem Zweck geschaffen wurde – den jahrzehntelangen Streit zwischen Sydney und Melbourne zu schlichten und eine “neutrale” Hauptstadt im fernen Hinterland zu schaffen. Noch heute, 100 Jahre nach dem Spatenstich auf grünem Ackerland, scheint die politische Elite und ihr Umfeld hier beinahe ein Einsiedlerleben zu führen. Die Distanz zur eigenen Bevölkerung, insbesondere jener der verstädterten Ostküste, dürfte so mancher Regierung das Leben deutlich erleichtert haben.

 

Die völlig lehrgefegte Stadt macht es für uns leicht in knapp 3 Tagen ein intensives Kultur- und Politprogramm abzuarbeiten. Als wir am Freitag um kurz vor 4 im Parlament auftauchen sind die Bänke längst verlassen und die Spitze des Landes hat sich auf die umliegenden Golfplätze verteilt. Insbesondere ein Besuch im ehemaligen Parlament, das 1927 eröffnet und erst vor wenigen Jahren vom neuen Komplex abgelöst wurde, gibt uns dann aber einen tollen Einblick in die politische Geschichte und aktuelle Probleme im Land. Die aktuell größten Themen, die für ein entwickeltes Land völlig beschämende Asylpolitik und der Umgang mit der indigenen Bevölkerung, werden aber auch hier praktisch ausgelassen. Die als Durchbruch gefeierte “Entschuldigung” der Regierung bei den Aboriginals aus dem Jahre 2008 (!!) gesteht zwar Fehler wie die konzertierte Entführung von Kindern ein – das Wort Genozid, dem in Summe wohl einzig zureichenden Vokabel für die Schandtaten der Vergangenheit, suchen wir aber vergeblich.

 

Die Mehrzahl der australischen Besucher (Ausländer trifft man in Canberra kaum) scheint sich aber ohnehin nur für das touristische “Highlight” Canberras zu interessieren – das Australian War Memorial. Die Faszination der Australier für den Krieg im Allgemeinen und für ihre Kriegshelden (die in den beiden Weltkriegen primär von den Briten in die Schlacht geschickt wurden) ist für uns nur schwer zu verstehen. Warum sind die beiden Weltkriege heute in Australien präsenter als in unserer Heimat, die doch schlussendlich Zentrum und Ausgangspunkt beider Kriege war? Übertreiben die Australier oder sind wir dabei unsere eigene Schande zu vergessen? Keine Ahnung.

 

Für uns zeigt der Besuch des War Memorials jedenfalls eines ganz deutlich. Die beiden Weltkriege wurden nicht umsonst als solche bezeichnet – nur selten aber spricht man in Europa über die Ausdehnung der Auseinandersetzung im pazifischen Raum. Auf unserem weiteren Weg Richtung Osten (den wir vor einigen Tagen endlich festgelegt haben) wird uns das Thema an Orten begegnen, die wir nie und nimmer damit verbunden hätten. Diese historische Auffrischung nehmen wir gerne mit.

 

Bevor sich die Stadt Montagmorgens wieder füllt wollen wir wieder am Weg Richtung Küste sein. Da steht uns nur noch ein Event im Weg – das Finale der Fussball WM läuft frühmorgens und wir haben bisher nicht ein einziges Spiel dieser WM miterlebt. Was soll´s also: Der Wecker wird auf 4:30 gestellt und pünktlich vor Anpfiff stehen wir vor der Tür der nahegelegenen Filiale einer amerikanischen Feinkostlegende. Kein anderer als McDonalds scheint hier zu dieser unchristlichen Zeit Interesse an “Soccer” zu haben. Da die Filiale erst um 5:30 aufsperrt sehen wir die ersten Minuten durch einen Spiegel innerhalb der Filiale vom Auto aus und stürmen den Laden, als sich die Schiebetüren öffnen.

 

Nach einem spannenden Spiel und einem bescheidenen Frühstück sind wir gesättigt und die Deutschen Weltmeister. Wir freuen uns für unsere deutschen Freunde und gratulieren der Mannschaft zu ihrem, sicherlich hochverdienten, Triumph. Die österreichische Mannschaft ist ja ohnehin schon vor einem Jahr ausgeschieden.

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