Reisefreiheit mit Fragezeichen – Burma auf zwei Rädern

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Ein kleinwenig haben wir in Yangoon schon mitbekommen vom Leben in Burma. Die Männer tragen fast ausschließlich traditionelle Wickelröcke und haben blutrote Zähne. Selbst die Straßenränder und Gehwege sind durch die ausgespuckten Reste der allgegenwärtigen Betelnussblätter rot eingefärbt. Auch die ständige Gesichtsbemalung der Frauen und Kinder kann man nicht übersehen. Als Sonnenschutz wird eine dicke Schicht süßlicher Paste aus zerriebenem Thanaka-Holz auf die Wangen aufgetragen, bei Kindern im ganzen Gesicht verschmiert. Auf Märkten und rund um die Tempel der Stadt haben wir auch sonst schon einiges neues entdeckt. Auf tiefere Einblicke in die einheimische Kultur freuen wir uns aber nun im ländlichen Burma.

Dafür geht es erstmal weiter ins kulturelle Zentrum des Landes, nach Mandalay. Rund um die Stadt finden sich viele Kleinstädte, die jeweils vor der britischen Besatzung im schnellen Wechsel kurzfristig als Hauptstadt fungiert haben. Für uns ist Mandalay vorerst aber nur ein Kurzaufenthalt. Die Palastanlagen der Stadt wollen wir diesmal auslassen – wir wollen direkte Zahlungen an die Regierung ein wenig beschränken und hier wären erneut 10 Dollar fällig. Deswegen wollen wir uns hier einen Motorroller besorgen um auf eigene Faust durchs Land streifen zu können und den touristischen Vorgaben der Regierung ausweichen zu können.

Ein passender Roller ist schnell gefunden, der Doorboy unseres Hotels ist bereit uns für 80 Dollar sein Gefährt für die nächsten 10 Tage zu übergeben. Da man in Myanmar als Ausländer kein Motorrad besitzen und auch nur schwer legal eines anmieten kann ist das für uns ein guter Deal. Wir sind gespannt wie weit wir es damit schaffen. Nicht nur die schlechten Straßenzustände sondern auch die schwer durchschaubare Gesetzeslage machen eine Individualreise hier fast unplanbar. Verlässliche Aussagen über die aktuelle Lage zu bekommen ist fast unmöglich, viele Routen kann man schlichtweg nur versuchen und auf nachlässige Beamte hoffen. Mehr als die Hälfte des Landes ist nach wie vor für Ausländer gesperrt, und auch innerhalb der „legalen“ Gebiete ist vielerorts das Motorradfahren für Ausländer ausgeschlossen. In Yangoon ist es sogar generell für alle verboten. Vermutlich die einzige Stadt Südostasiens ohne Mopeds.

Bevor wir Mandalay verlassen haben wir uns aber noch Tickets für eine Sehenswürdigkeit der etwas anderen Art besorgt. Die „Moustache Brothers“ sind ein politisches Comedy-Trio, die insbesondere in den 90er-Jahren für internationales Aufsehen sorgten. Wegen regierungskritischer Witze landeten sie mehrmals jahrelang hinter Gittern bzw. in Arbeitslagern. Man könnte sagen sie sind so etwas wie die burmesischen Pussy Riot, aber das trifft es wohl dann doch nicht ganz. Erst auf Initiative von mehreren Hollywood-Comedians und unter Miteinbeziehung der nationalen Ikone und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi konnte  letztlich genug Druck auf die Regierung aufgebaut werden die drei Clowns freizulassen. Allerdings wurde ihnen strikt verboten ihre Show weiter vor Burmesen aufzuführen. Vor ausländischen Besuchern darf ihre Show aber eingeschränkt und unter Beobachtung in englischer Sprache weiterlaufen. „Wir spielen nur noch für Touristen und das KGB“, wie die bärtigen Komiker behaupten.

Der Chef der Truppe ist mittlerweile verstorben, die beiden verbliebenen Brüder aber führen die Show weiterhin tagtäglich auf. Dieses Kuriosum wollten wir uns nicht entgehen lassen. Im Wohnzimmer der Familie sitzen wir also mit 8 anderen Ausländern und lassen uns von der gesamten Familie mit Gags, einigen ernsten Infos zur Lage in Burma und ein paar Tänzen unterhalten. Im Intro der Show wird der Appell zu mehr Freiheit in Burma mittels Video gar von geistigen Ikonen Hollywoods wie Silvester Stalone unterstützt. Der Besuch eines politischen Kabaretts in einem Land mit solch eingeschränkten Freiheiten ist doch eine sehr spezielle Sache. Da kann man sogar darüber hinwegsehen, dass der Unterhaltungswert der beiden gealterten Aufrührer mittlerweile doch eher beschaulich ist. Das Umfeld in diesem kleinen Wohnhaus inmitten des Zentrums von Mandalay macht den Besuch aber in jedem Fall bemerkenswert.

Nun wollen wir aber so schnell es geht ab aufs Motorrad und raus aus der Stadt. Nachdem wir diese verlassen haben merken wir schnell, dass außerhalb der Touristengebiete hier keine einzige für uns lesbare Tafel, keine Kilometerangaben und auch sonst keine brauchbaren Hinweise über unsere Fahrtrichtung mehr zu finden sind. Da wir wie immer praktisch ohne Kartenmaterial oder gar GPS unterwegs sind zeichnen sich also spannende Tage ab. Als wir uns in Mandalay eine Karte besorgen wollten gab uns eine alte Dame, ihreszeichen ehemalige Englischlehrerin, den Hinweis: „If you have a mouth, you will find a way.“ Und tatsächlich sollten wir nicht enttäuscht werden. Wir sind von den Englischkenntnissen, der Offenheit und der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung von Anfang an überrascht. Im Vergleich zu China oder Vietnam ist die Verständigung hier ein Kinderspiel – wir hatten eigentlich mit dem Gegenteil gerechnet.

Wir finden also die gesuchte Route in Richtung Norden nach einigen Startschwierigkeiten. Allerdings kommen wir nicht besonders weit. Nach etwa 100 Kilometern stoppt uns ein „Immigration Officer“ und erklärt uns, höchst freundlich und in gutem Englisch, dass wir ab hier ohne Sondergenehmigung nicht weiter könnten. Offiziell wird das mit Sicherheitsbedenken für Touristen und mangelnder touristischer Infrastruktur begründet. Nicht zuletzt aber will man damit wohl verhindern, dass neugierige Touristen Einblicke in die für Zwangsarbeit und andere Menschenrechtsverletzungen bekannten Edelsteinmienen der Region bekommen. Auch die Konflikte der ethnischen Minderheiten mit der Regierung will man nicht an die große Glocke hängen. Berichte über die grausamen Kämpfe zwischen Buddhisten und Muslimen in mehreren Regionen Burmas sind mittlerweile selbst in der internationalen Presse zu finden. Auch der Mythos vom gewaltfreien Buddhismus wird durch Bilder von mordenden und rachlüsternen Mönchen derzeit schwer erschüttert. Für uns bedeutet all das jedenfalls, dass unsere Route stark eingeschränkt ist und wir zumindest hier erstmal umdrehen müssen.

Da der Einbruch der Dunkelheit langsam naht entscheiden wir uns schon in der nächsten Stadt eine Bleibe für die Nacht zu suchen – auch das sollte sich aber schwieriger als gedacht herausstellen. Das einzige Gästehaus der kleinen Stadt hat zwar genügend Zimmer frei, ob man uns aber aufnehmen dürfe weiß man nicht so genau. Nachdem der Guesthausbesitzer einen befreundeten Polizisten zu Rate gezogen hat bietet er uns an die Nacht bei ihm zu verbringen. Allerdings sollten wir morgens die Stadt unverzüglich verlassen und den gesamten Abend aus Sicherheitsgründen in unserem Zimmer verbringen. Die Stadt wäre für uns nicht sicher. Vermutlich hatten die beiden nur Angst Probleme zu bekommen, da das Gästehaus für die Aufnahme von Ausländern nicht lizenziert ist. Selbst das Abendessen bekommen wir deswegen in unsere „Zelle“ geliefert. Ganz so hatten wir uns den Start in unser Abenteuer Burma nicht vorgestellt. Letztlich amüsieren wir uns aber über unsere einstweilige „Sicherheitsverwahrung“ und nutzen die Zwangspause zum Kartenspielen, Bier trinken und Pläne schmieden.

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2 Gedanken zu „Reisefreiheit mit Fragezeichen – Burma auf zwei Rädern

  1. Mit dem Auslassen des Palasts in Myanmar habt ihr meiner Meinung nach überhaupt nichts verpasst, Das Gebäude ist weder besonders authentisch (Rekonstruktion) noch in irgendeiner Weise beindruckend. Das „beste“ am Besuch ist das neurotische Gehabe des Militärs: Man darf den Palast nur von einer bestimmten Seite besuchen. Fotos sind nur in eine bestimmte Richtung erlaubt. Bewacht wird das von Soldaten mit Maschinengewehr im Anschlag.

    Ich bezweifle allerdings, dass diese Gehabe irgendeinen praktischen Nutzen hat, denn Bilder der Anlage findet man im Internet und auf Google Maps und das, was man sieht, ist alles andere als beeindruckend. Meiner Meinung nach typisches militärisches Wichtiggetue. Das fand ich, so schlimm es ist, irgendwie auch ganz amüsant.

  2. Pingback: Burma fordert seine Besucher | Abwesenheitsnotiz

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